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Sommerprojekt des SkF e.V. Bergisch Land und der Flüchtlingsinitiative KOMM

Marionetten erzählen Fluchtgeschichten
 
Hinter jeder Puppe steht eine Geschichte: Geflüchtete Frauen stellen im Sommerprojekt 2023 der Initiative KOMM der evangelischen Kirchengemeinde Heckinghausen in
Kooperation mit dem SkF e.V. Bergisch Land ein Marionettentheater auf die Beine.

Wie ritzt man einer Marionette ein selbstbewusstes, leises Lächeln ins Gesicht? Maha blickt
etwas ratlos in die Runde der etwa zwanzig Frauen, die alle um einen großen Werktisch vor
ihren Puppenköpfen sitzen. Schließlich bittet sie Marionettenbauer Markus Heip um Hilfe.
„Jetzt kommen wir zu den Emotionen“, freut er sich. „Die ins Gesicht zu ritzen, ist gar nicht
so einfach. Da arbeiten wir mit Falten. Je größer sie sind, um so fröhlicher ist eure Puppe.“
Also arbeitet Maha an vielen kleinen Falten, die auch in ihrem Gesicht zu sehen sind. “Meine
Marionette ist eine starke Frau, die in einem fremden Land ein selbstbestimmtes Leben
aufgebaut hat“, erklärt die 42-jährige Palästinenserin. Andere Puppen, die im Sommerprojekt der Flüchtlingsinitiative KOMM in Kooperation mit dem SkF e.V. Bergisch Land im Heckinghauser Ort der Begegnung für Geflüchtete des Art-Hotels und Heckinghauser Bürger entstehen, symbolisieren Träume, Wünsche oder auch Familientraditionen. Ein Clown, der an den lustigen Großvater in der Heimat erinnert, eine Prinzessin, die mal ausruhen und sich verwöhnen lassen darf, eine Blumenfrau, die die Früchte ihres Gartens mit allen teilt. Viel Arbeit, bis die Puppen tanzen. Eine Woche haben die Frauen unter der Leitung des Remscheider Marionettenbauers Markus Heip vom Durchsholzer Marionetten- und Puppentheater ihre Marionetten geformt, genäht und gebaut. Bis sie die Puppen tanzen lassen können, wird es aber wohl Herbst werden.

Marionettenbauer Markus Heip mit Maha, die aus Palästina geflüchtet ist
 
Für die Inszenierung braucht es noch Skript, Bühnenbild und Tonaufnahmen. „Da liegt viel
Arbeit vor uns, aber es wird bestimmt ein beeindruckendes Theaterstück“, verspricht SkF e.V. Bergisch Land Mitarbeiterin und KOMM Projektleiterin Dorothee van den Borre.
 
Mit vielen Ehrenamtlichen begleiten sowohl die Initiative KOMM als auch der Sozialdienst katholischer Frauen viele Familien mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichten. „Es sind so starke Frauen dabei, die Schlimmes durchgemacht haben, aber sich mutig neuen Herausforderungen stellen. Ihre Lebensgeschichten sind es wert, erzählt zu werden.“

Marionetten sprechen für die Frauen

Doch nicht viele geflüchtete Frauen möchten so offen über ihr Leben reden, wie Maha es tut
und nur wenige wollen dafür auf eine Bühne. Die Räume der "Krawatte" werden zur Marionettenwerkstatt. Die Idee, Marionetten für sich sprechen zu lassen, die selbst erfunden und gestaltet sind, habe viele Frauen direkt begeistert, erzählt Dorothee van den Borre. „Jede kann ihre Geschichte ganz individuell und kreativ einbringen, aber es geht auch um eine gemeinsame Geschichte, die entsteht und Frauen unterschiedlicher Kulturen zusammenbringt.“ Im Marionettenprojekt arbeiten Frauen aus Syrien, Palästina, Indonesien, dem Iran, Irak, der Ukraine und Deutschland mit. So bunt und unterschiedlich wie ihre Kulturen ist auch die Kleidung der Puppen, die in einem kleinen Werkstattraum der „Krawatte“ entsteht. Neben märchenhaften, modernen und schrillen Kostümen schneidern die Frauen detailgetreue Trachten aus ihren Ländern.
So tragen die Marionetten von Hulnara und Leniye die traditionelle Kleidung der
Krimtartarinnen mit ihren typischen Kopfbedeckungen und Goldbordüren. Die beiden
Lehrerinnen sind im vergangenen Jahr mit ihren Kindern von der Krim nach Wuppertal
geflüchtet.

Hulnara und Leniye (v.l.) mit ihren Puppenköpfen

„Seit drei Generationen erleben wir Vertreibung“, erzählt Leniye. Diese Geschichte dürfe
nicht vergessen werden, die Kultur und Sprache der Krimtartaren nicht verloren gehen,
ergänzt Hulnara. „Sie gehört zu unserer Identität, egal, wo wir leben.“
Alleinerziehend in einem fremden Land
Auch Mahas Puppe zeigt die traditionelle Kleidung der Palästinenserinnen, denn das sind ihre Wurzeln. Das Kopftuch hängt ihrer Puppe locker am Hinterkopf. Sie entscheidet selbst, ob sie es tragen möchte oder nicht. Dieses Selbstbewusstsein hat sich Maha erkämpft. Im Jahr 2000 kam sie mit ihrem Ehemann nach Wuppertal. Als er sich acht Jahre später von ihr trennte, wollte die Familie, dass sie mit ihren drei Kindern nach Palästina zurückkommt.
„Eine alleinerziehende Frau in einem fremden Land: Das ist bei uns verboten“, berichtet
Maha und lacht trotzig. „Aber das kam für mich nicht in Frage. Ich wollte auf eigenen Füßen
stehen und für meine Kinder und mich sorgen.“ Das ist ihr gelungen. Sie arbeitet heute als
Sprach- und Kulturmittlerin. Ihre drei Kinder studieren und machen Abitur. Deshalb wird ihre
Marionette mit einem selbstbewussten, leisen Lächeln auf der Bühne stehen.

Das Projekt wurde gefördert vom Kommunalen Integrationszentrum Wuppertal und dem
Bundesprogramm Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Text: Sabine Damaschke, Tanja Müller-Huebschke
Fotos: Sabine Damaschke, Gisela Kettner